Wie funktioniert die Open Space Methode?

Im folgenden Beitrag stelle ich die wesentlichen Prinzipien eines Open Space vor, gehe kurz auf die Geschichte ein und erläutere die Durchführung anhand einer Case Study Schritt für Schritt. (Der Beitrag ist in ähnlicher Form erschienen in dem PAGE Magazin WEAVE, Ausgabe 1.11)

Wann ist Open Space als Konferenzmethode geeignet?

Ob die Methode des Open Space überhaupt zu einem Vorhaben oder Projekt passt, hängt von den Anforderungen ab. Handelt es sich zum Beispiel um eine komplexe Fragestellung, auf die es noch keine Antwort gibt und bei der zudem sehr unterschiedliche Menschen involviert sind, können Open Spaces einen innovativen und produktiven Austausch fördern.

Ein Beispiel: Eine Agentur soll für eine Unternehmens-Website die neuesten technischen Möglichkeiten ausreizen. Bei der Ideenfindung will man die Endnutzer sowie verschiedene, externe Dienstleistern einbeziehen. Das Zeitfenster ist eng. Ist das Ergebnis offen, so bietet sich Open Space an. Steht das Ergebnis hingegen schon fest, ist Open Space nicht geeignet.

Rahmenbedingungen sind wichtig

Die Planung ist bei Open Spaces besonders wichtig, denn das Verfahren ist zwar einfach, elegant und mächtig – doch liegt hierin auch eine Gefahr: Erstens funktioniert Open Space nur bei einem offenen Thema, das unter den Nägeln brennt und zweitens: Open Space ist kein Allheilmittel! Blind angewendet, kann es eher schaden als nutzen. So entsteht etwa viel Frust und Unmut, wenn das, was im Open Space entsteht, keine Umsetzung findet. Zu einer präzisen Vorbereitung gehört deshalb beispielsweise, dass die nicht verhandelbaren Rahmenbedingungen klar sind – schließlich ist der kreative Raum meist nicht grenzenlos offen. Eine solche Rahmenbedingung könnte etwa lauten: »Am Workflow der Programmierung darf sich nichts ändern« (weil vor sechs Monaten Scrum eingeführt wurde).

Rahmenbedingungen stecken den kreativen Raum klar ab. Dazu gehört etwa auch die Information, welche Regeln nach dem Open Space gelten – etwa wer die Dokumentation hinterher bekommt. Dieser zusätzliche Aufwand lohnt sich und ist schon ein erstes Ergebnis. Oftmals zeigt dies den Teilnehmer beispielsweise auch, dass die Grenzen viel weiter sind, als sie angenommen hatten. Werden die Rahmenbedingungen schon in der Einladung formuliert, ist für die Teilnehmer zudem klar: Da hat sich jemand richtig Gedanken gemacht. Man schätzt ihre Arbeit. Übrigens: Grundlagen zur Planung von Open Spaces liefert auch das Handbuch »Open Space Technology. Ein Leitfaden für die Praxis« von Harrison Owen (Klett-Cotta, ISBN 3-608-94011-1, 26 Euro).

Die Durchführung eines Open Space

Sie folgt – knapp beschrieben – den immer gleichen Regeln: Alle, die sich für das jeweilige (komplexe) Thema interessieren, kommen zu einem Sitzkreis zusammen. Der Moderator führt nun kurz in die Methode ein und sorgt während des Open Space dafür, dass die Struktur eingehalten wird – inhaltlich mischt er sich allerdings nicht ein. Dann ermitteln die Teilnehmer die relevantesten Unterthemen, heften diese auf Blätter geschrieben an eine leere Pinnwand und handeln die Räume und Zeiten für die Themen-Diskussionen aus. Danach geht es an die Arbeit – einfacher geht’s nicht.

Während der Arbeit gelten vier Prinzipien und ein Gesetz.

1. Prinzip: »Jeder ist die richtige Person«. Das heißt, jeder hat das Recht teilzunehmen – egal ob das die Praktikantin oder der Geschäftsführer ist. Es spielt auch keine Rolle, ob viele oder wenige Teilnehmer kommen. Wichtig ist nur, dass die Teilnehmer kommen, für die das Thema eine Rolle spielt.

2. Prinzip: »Was auch immer geschieht – es ist das Einzige, was geschehen konnte«. Es läd dazu ein, sich von Erwartungen frei zu machen und neuen Erkenntnissen, Ideen und Ereignissen offen gegenüberzustehen.

3. Prinzip: »Es beginnt, wenn die Zeit reif ist«. Mit anderen Worten: Kreativität lässt sich nicht auf Knopfdruck abrufen. Der richtige Moment ist dann gekommen, wenn die Inspiration da ist – und das ist wichtiger als Pünktlichkeit. Allerdings gilt auch:

4. Prinzip »Vorbei ist vorbei«Wenn alles gesagt ist, ist die Zeit um und die Open Space Session ist zu Ende. Wenn nicht, geht sie – losgelöst vom Zeitplan – weiter.

Das »Gesetz der zwei Füße« ist das einzige Gesetz im Open Space. Es bedeutet, dass Teilnehmer nur so lange in einer Gruppe bleiben, solange sie es verantworten können, also solange sie etwas lernen und/oder beitragen können.

Es ist immer wieder verblüffend, was für einen kreativen Schub und wie viel Engagement sich in einem Open Space innerhalb weniger Stunden entwickeln kann. Aus dem Nichts einer leeren Agenda entstehen so umfangreiche Dokumentationen zu einem Thema; Probleme lösen sich, für die man auf herkömmlichem Weg viel mehr Zeit und Geld hätte einkalkulieren müssen. Außerdem wirken Open Spaces fast immer energetisierend und positiv – und oft wächst das Interesse, sobald man einmal einen selbstorganisierenden Prozess etwa Open Space erfahren hat, solche Strukturen auch für die internen Arbeitsabläufe zu nutzen.

Open Space auf einen Blick

Ursprünglich war Open Space eine reine Konferenz-Methode: Entwickelt hat sie der amerikanische Organisationsberater Harrison Owen 1985, nachdem eine von ihm aufwendig organisierte Fachkonferenz zu einem einzigen Flop wurde. Er bemerkte jedoch, dass in den Kaffeepausen genau das passierte, was eigentlich die Konferenz hätte leisten sollen: die Menschen tauschten sich angeregt aus und vernetzten sich. Owen erinnerte dies an seine Zeit als Fotojournalist in Westafrika. Damals hatte er erlebt, wie sich ein vier Tage dauerndes Dorffest wie von selbst organisierte. Aus seinen Beobachtungen und Erfahrungen leitete er die Struktur für Open Space ab, weshalb diese auch den Beinamen »Konferenz der Kaffee-Pausen« trägt. Heute ist Open Space eine einfache Methode, um viele Menschen zu einer konkreten, komplexen und offenen Fragestellung in kurzer Zeit produktiv zu vernetzen. Ähnlich wie Barcamps lebt das Verfahren vom Einsatz und der Organisationskraft der Teilnehmer. Es ist jedoch stärker strukturiert und output-orientiert.

Case Study

1. Die Voraussetzungen für Open Space

Wer ein Open Space planen und durchführen möchte, muss zunächst einmal die Voraussetzungen klären. In diesem Fall wollte die Hamburger Volkshochschule (www.vhs-hamburg.de) ihre Website relaunchen. Um ihre Kunden bei der Neugestaltung mit einzubeziehen – und damit auch das Risiko zu mindern – sollte erstmals ein Kundentag stattfinden, an dem Kunden Ideen einbringen konnten. Die Leitung übernahm die Agentur Raumfuer Design & Change (www.raumfuer.de). Nachdem der Veranstaltungsrahmen präzisiert und klar war, dass aufgrund der Anforderungen sowie der offenen Fragestellung ein kleinformatiger Open Space passte, stand der Planungsworkshop an.

2. Der Planungsworkshop für einen Open Space

Beim Planungsworkshop verständigen sich Auftraggeber und Organisator über die Ziele, die Rahmenbedingungen und den groben Zeitablauf. Im Fall der Hamburger VHS waren die Ziele, die Kunden stärker an sich zu binden, sie zu beteiligen, ihr Wissen zu nutzen und mit repräsentativen Kundenvertretern ins Gespräch zu kommen. Zudem wollte die VHS ihre Wertschätzung zeigen und Beta-Tester gewinnen. Als dies sollte schließlich umfangreich dokumentiert und evaluiert werden. Die unverrückbaren Rahmenbedingungen waren: In dem Open Space sollte es nur um strukturelle und inhaltliche Themen gehen – nicht aber um die technische Plattform oder die konkrete Umsetzung. Neben der Planung des Ablaufs entwarf man gemeinsam den Titel „Meine neue VHS-site. Was ist für mich spannend?“ sowie einen Termin zum Review-Meeting.

3. Die Vorbereitung eine Open Space

Wer die Räumlichkeiten, in denen ein Open Space stattfinden soll, noch nicht kennt, sollte sich diese unbedingt vorher ansehen. Beim VHS-Open-Space zeigte sich beispielsweise, dass die große Aula und die Session-Räume der ehemaligen Villenanlage recht weit auseinander liegen – für die Raumwechsel musste daher zusätzlich Zeit eingeplant werden. Um die Zeit optimal zu nutzen, entwickelte Raumfuer großformatige Dokumentationsbögen. Sie waren Teil einer Ergebnisgalerie, die für Votings genutzt wurde.

Achten Sie auch darauf, dass die gesamte Athmosphäre Lust auf die Veranstaltung macht. Etwa indem Sie ein großzügiges Buffet organisieren: Joachim Sucker, Marketingleiter der Hamburger Volkshochschule, kündigte den so genannten »Netzbrunch« im Open-Space-Format per Newsletter rund 10.000 Leser an. Binnen weniger Tage gingen weit über hundert Bewerbungen ein – die Veranstaltung traf einen Nerv der Kunden. Die Marketingabteilung verschickte schließlich 60 Einladungen.

4. Der Aufbau

Der Veranstaltungsort sollte am Vortag sorgfältig vorbereitet werden. Für den VHS-Open-Space sorgte ein Team in 5 Stunden für die üblichen Standards – einen Stuhlkreis im Plenum für alle Teilnehmer, ein Ablaufplan, Thementransparente, eine Raum-Zeit-Planungs-Matrix, ein Aushang der Open-Space-Regeln und -Gesetz im Hauptraum – sowie ein Wege-Leitsystem zu den Sessionräumen. Parallel dazu organisierte der Auftraggeber das Catering, die notwendigen Stellwände und die Technik.

5 Der Open Space

Am Tag der Veranstaltung ist für die Organisatoren eigentlich schon ein guter Teil der Arbeit geschafft, die Teilnehmer organisieren sich selbst: Nachdem die Teilnehmer die Sessions definiert haben, teilen sie sich selbständig in Gruppen auf und machen sich in den Session-Räumen an die Arbeit. Beim VHS-Open-Space erarbeiteten, erörterten und dokumentierten rund 50 Teilnehmer so innerhalb von knapp zweieinhalb Stunden nicht weniger als 13 Sub-Themen – zusammen genommen ergab dies eine Ergbenisgalerie mit Dokmentationsbögen von fast zehn Metern! Hier konnten sich die Teilnehmer einen Überblick über die Inhalte aller Sessions verschaffen und deren Relevanz mit Hilfe von Klebepunkten bewerten.

6. Die Fishbowl

Damit sich alle Teilnehmer nach einem kurzen Open Space in Bezug auf die wichtigsten Aspekte der Veranstaltung austauschen können, bietet sich – alternativ zur üblichen Schlussrunde – beispielsweise eine Diskussionsrunde im Format eines Fishbowl (engl. Goldfischglas) an. Dabei gibt es einen inneren Stuhlkreis – auf dem fünf, zuvor gewählte Teilnehmer Platz nehmen – und einen äußeren Kreis, auf denen die restlichen Teilnehmer sitzen. Ein Stuhl des inneren Kreises bleibt frei. Dann eröffnet der Moderator die Diskussion mit der Frage: »Was war für Sie heute besonders wichtig?« Die Teilnehmer des Außenkreises hören nun zu, wie die des Innenkreises darüber diskutieren. Meint einer der Zuhörer, dass ein wichtiger Beitrag fehlt, nimmt er auf dem freien Stuhl Platz und ergänzt diesen. Ist kein Platz frei, löst er einen der Redner ab, indem er sich hinter ihn stellt. Dies ist eine sehr wirkungsvolle Intervention bei Vielrednern und sorgt für einen zügigen Ablauf mit Konzentration aufs Wesentliche.

7. Kunden kennenlernen

Wichtig ist auch immer, dass sich ein Open-Space-Veranstalter seiner Verantwortung bewusst ist – er muss beispielsweise mit seinem Kunden auch tatsächlich in einen offenen Dialog treten: Beim VHS-Open-Space machte zu diesem Zweck ein Filmteam Kurz-Interviews mit den Passanten der Gallerie. Positiver Nebeneffekt: Nachzügler konnten gut quer einsteigen, da man sich die Videos auch auf Youtube anschauen konnte. Die VHS stellte sich aber auch Teilnehmerfragen, wie: »Wie geht es weiter?«, »Wie werden die Ideen umgesetzt?«, »Können wir die Ergebnisse bewerten?«, »Wie können wir uns weiter einbringen?« oder »Werden wir informiert?«. Spätestens jetzt machte es sich bezahlt, dass Auftraggeber und Agentur im Vorfeld die Rahmenbedingungen ausführlich besprochen hatten, denn so konnten sie alle Fragen beantworten. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Teilnehmer einen Evaluationsbogen ausfüllen, in dem sie den Inhalt, den Ablauf, die Moderation und das Catering beurteilen. Ein anschließendes Get-Togeter kann für Spaß und einen weiteren Austausch sorgen.

8. Das Review-Meeting

Die gemeinsame Auswertung eines Open Spaces ist genauso wichtig, wie die Veranstaltung selbst. Drei Tage nach dem VHS-Open-Space traf man sich daher zu einem Review-Meeting und ging zusammen die Auswertung durch. Auf 41 Seiten liefert sie unter anderem die Dokumentationsbögen, eine Übersicht der Session-Inhalte, eine Mitschrift der Abschlussdiskussion sowie das Ergebnis der Evaluation. All dies zeigte im Fall der Hamburger VHS, dass die Teilnehmer das Themen-Cluster Layout und Usabiliy mit 27 Prozent am höchsten priorisierten. Dem folgten die Themen Social Media (23 Prozent), Personalisierung (21 Prozent) und Such-Optimierung (19 Prozent). Konkret bedeutet dies etwa: personalisierte Newsletter, Online-Geschenkgutscheine, ausführliche Trainerprofile oder differenzierte Angebotssuche. Da die Themengeber namentlich benannt waren, konnte die VHS auch nachhaken, falls gewünscht. Die Dokumentation ging eine Woche später online und fand Eingang in den Newsletter und den Jahresbericht.

9. Das Ergebnis

Ein wirklicher Erfolg ist ein Open Space allerdings erst dann, wenn man seine Ziele auch langfristig und dauerhaft erreicht. Das ist der Hamburger VHS gelungen: Sie gewann rund 500 Beta-Tester für den Relaunch ihrer Site. Der Netzbrunch war zudem nur der Auftakt zu einem intensiven Kundendialog: »Mit einigen Besuchern stehen wir im regelmäßigem Austausch«, meint Joachim Sucker.

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